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Mütterlichkeit

 

Die Überlebenswahrscheinlichkeit von neu geborenen Lämmern hängt neben einer geeigneten Umgebung und der Vitalität der Lämmer  maßgeblich von einer optimalen Interaktion zwischen Lamm und Aue ab, die in der Literatur als sog. Mütterlichkeit bezeichnet wird. Tiere mit einer guten Mütterlichkeit beschützen und ernähren ihre Nachkommen, versorgen sie unmittelbar nach der Geburt mit der wichtiger Kolostralmilch (Energie und passive Immunisierung) und unterstützen die lebensnotwendigen Lernprozesse des Nachwuchses durch z.B. ihre Vorbildfunktion. Die Mütterlichkeit (Maternal Behaviour Score (MBS)) wird mit einer Heritabilität von 0,13 vererbt. Die Mutter-Kind-Bindung bei Schafrassen mit guter Mütterlichkeit (Landschafrassen zeigen eine ausgezeichnete Mütterlichkeit) wird umso besser, je geringer der Einfluss der Umgebung ist, während bei fehlender oder unzureichender Mütterlichkeit in den ersten Lebenstagen Lämmerverluste zu beobachten sind. Auch konnte gezeigt werden, dass die Lämmer von mütterlichen Schafen deutlich vitaler sind, und dass bei einer Selektion auf gute Wachstumseigenschaften die Qualität der Mütterlichkeit schlechter wird (Intensivschafrassen).

Die Qualität der Mütterlichkeit kann einfach und schnell unter Feldbedingungen durch das Fluchtverhalten der Mutter ca. 24 Stunden nach der Geburt des Lammes überprüft werden. Schafe mit sehr guter Mütterlichkeit verteidigen bei der Annäherung eines Menschen ihren Nachwuchs, während Auen mit schlechter Mütterlichkeit ihrem Fluchtinstinkt nachgeben und den Nachwuchs (vorübergehend) allein lassen. Die sog. Fluchtdistanz (Mindestabstand, den ein Tier zu einem anderen, potenziell bedrohlichen Lebewesen akzeptiert, ohne vor dem möglichen Angreifer zu fliehen) gibt somit eine quantitativ messbare Größe zur Bewertung der Mütterlichkeit ab. Alternativ zu diesem Test kann die Fluchtdistanz der Tiere zu einem späteren Zeitpunkt an Muttertieren mit Lamm bei Fuß getestet werden. Bei der Annäherung eines Menschen flüchten wenig mütterliche Tiere ohne Rücksicht auf ihr Lamm, mütterliche Schafe verteidigen ihr Lamm (in einem gewissen Rahmen).

Die Aussagekraft der Bewertung der Mütterlichkeit wird zumindest teilweise eingeschränkt durch die Beziehung zwischen dem Muttertier und dem Züchter. Insbesondere bei kleinen Herden, die intensiv durch den Züchter betreut werden, zeigen die Tiere einen geringeren Fluchttrieb als in großen Herden und erkennen „ihre“ Bezugsperson schon aus größerer Entfernung (Schafe können sich bis zu 20 menschliche Gesichter merken!), was dazu führt, dass die Tiere statt zu flüchten auf die Bezugsperson zulaufen. Auch wenn sich diese Tiere bei der Ablammung noch von der Herde absondern und ein deutlich scheueres Verhalten aufweisen, zeigen sie durch die besondere Beziehung zum Züchter bei dessen Annäherung unter Umständen einen geringeren Fluchtreflex, der zu einer Fehlbeurteilung bei der Mütterlichkeit führen könnte. In solchen (seltenen) Fällen muss der Test durch betriebsfremde Personen durchgeführt werden.

Deutlich schwieriger ist die Beurteilung der Muttereigenschaften durch Beobachtung des Verhaltens der Mutter direkt nach der Geburt, da dies lediglich in einem kleinen Zeitfenster möglich ist. Direkt nach einer normal verlaufenden Geburt (1 bis maximal 2 Minuten später) leckt das Mutterschaf das Lamm ab um die Eihäute zu zerreißen, das Lamm zu trocknen, Atmung und Kreislauf anzuregen, die Mutter-Kind-Bindung aufzubauen, das Lamm bei der Eutersuche zu unterstützen und den Geburtsplatz zu säubern. Die Leckdauer (bis zu 30 min) und die Leckintensität geben Hinweise auf die Mütterlichkeit. Durch leichtes abspreizen der Hinterbeine gibt das Muttertier das Euter frei (Euterpräsentation) und signalisiert so die Duldung des Lammes beim Trinken (Duldungsverhalten).

 

Die Mütterlichkeit hängt, neben der Heritabilität, (0,13) von zahlreichen anderen Faktoren ab:

  1. Landschafe sind mütterlicher als Fleischschafrassen.
  2. Fleischschafrassen nehmen ihre Lämmer öfter nicht an oder sind sogar aggressiv den Lämmern gegenüber.
  3. Zutreter zeigen nach der Geburt manchmal ein sog. „nervöses“ Verhalten.
  4. Die Mütterlichkeit ist bei der Ablammung auf der Weide ausgeprägter als bei einer Ablammung im Stall.
  5. Gut ernährte Mutterschafe (während Trächtigkeit und Ablammung) nehmen häufiger Kontakt zum Lamm auf, lecken es intensiver ab und sind weniger aggressiv.
  6. Die Mütterlichkeit bei der Erstlingsablammung ist signifikant schlechter als bei späteren Ablammungen (auch des gleichen Mutterschafes).
  7. Bei Einlingslämmern ist die Mütterlichkeit pro Lamm stärker ausgeprägt (bei manchen Schafrassen ist dies genau umgekehrt).
  8. Bei Schafen mit guter Mütterlichkeit ist die Lämmersterblichkeit signifikant geringer.
  9. Schafe mit übertriebener Mütterlichkeit können durch zu intensives ablecken der Lämmer diese an den ersten Aufstehversuchen hindern (umstritten).

Heidschnucke mit ausgezeichneter Mütterlichkeit (kein Fluchtverhalten, Kopf zum Angriff gesenkt)Heidschnucke mit ausgezeichneter Mütterlichkeit (kein Fluchtverhalten, Kopf zum Angriff gesenkt)

 

Beim Unterschreiten der Fluchtdistanz greift die graue gehoernte Heidschnucke an.Beim Unterschreiten der Fluchtdistanz greift die graue gehoernte Heidschnucke an.

GGH mit sehr guter Mütterlichkeit und ohne Nervosität (bleibt liegen bei Annäherung)GGH mit sehr guter Mütterlichkeit und ohne Nervosität (bleibt liegen bei Annäherung)

Das Neugeborene Heidschnuckenlamm wird ausgiebig trocken geleckt.Das Neugeborene Heidschnuckenlamm wird ausgiebig trocken geleckt.

Nach weniger als 8 Minuten steht das Lamm bereits und wird weiter trocken geleckt.Nach weniger als 8 Minuten steht das Lamm bereits und wird weiter trocken geleckt.

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