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Heritabilität

 

Die Vererblichkeit von komplexen Merkmalen, deren tatsächliche genetische Grundlage (Gene) noch nicht bekannt ist, gibt man in der Zucht von Schafen mit der sog. Erblichkeit oder Heritabilität an. Um die Heritabilität dieser Zuchtmerkmale - wie z.B. Wolle, Bemuskelung und Erscheinungsbild der Tiere - abschätzen zu können, ist die Auswertung einer großen Anzahl von Zuchttieren und deren Eltern und Voreltern notwendig. Diese Daten lassen sich problemlos aus den Herdbüchern der Zuchtschafe auslesen, da diese Merkmale bei der Aufnahme der Tiere in die Zuchtbücher bestimmt werden und inzwischen bei vielen Züchtern die Hauptmerkmale bei der Selektion der Zuchttiere darstellen. Die Analyse der genetischen Parameter dieser Merkmale ist demnach unentbehrlich und wurde z.B. von de Vries im Jahr 2004 durchgeführt. Untersucht wurden die Stammbäume von 6.714 grauen gehörnten Heidschnucken, die zu folgender geschätzter Heritabilität führten: Wolle 0,05; Bemuskelung 0,13; Exterieur 0,06. Werte von 0,01 bis 0,15 beschreiben eine geringe Heritabilität, Werte zwischen 0,2 und 0,4 eine mittlere Heritabilität und Werte über 0,45 eine hohe Heritabilität. Zwischen den Merkmalen Wolle / Bemuskelung und Wolle / Exterieur wurde nur eine geringe additiv-genetische Korrelation geschätzt, während zwischen den Merkmalen Bemuskelung / Exterieur eine hohe additive-genetische Korrelation besteht.

Insgesamt ist damit festzustellen, dass die Erblichkeit der Merkmale Wolle, Bemuskelung und Erscheinungsbild der Tiere - anders als bei Fleisch- oder Milchschafen - bei Landschafen und insbesondere bei grauen gehörnten Heidschnucken nur gering ist. Auch wenn die grauen gehörnten Heidschnucken genetisch eine Sonderstellung einnehmen, die vermutlich auf einem vor vielen Generationen durchlaufenen genetischen Flaschenhals beruht, ist diese Feststellung mindestens ungewöhnlich und es stellt sich die Frage, warum bei den grauen gehörnten Heidschnucken die Heritabilität so gering ist. Grundsätzlich lassen sich dazu verschiedene Hypothesen formulieren:

  1. Die Heritabilität ist tatsächlich gering.
  2. Die Schätzungen zur Heritabilität sind falsch.
  3. Die Bewertungen der Heidschnucken in Wolle / Bemuskelung / Exterieur ist zu subjektiv und damit zu inkonsistent.
  4. Eine Kombination aus den Punkten 1-3.

 

Ad 1 und 2. Da zumindest in guten Zuchtlinien im Laufe der Generationen eine deutliche Stabilisierung der gewünschten Merkmale erreicht werden konnte und die Schätzungen der Heritabilität als wissenschaftliche Methode bei anderen Schafrassen anerkannt ist, werden die Punkte 1 und 2 zunächst als unwahrscheinlich ausgeschlossen. Um zu zeigen, dass die Heritabilität bei den grauen gehörnten Heidschnucken größer ist als abgeschätzt, versuchen wir mit unserer Zucht eine stabile Zuchtlinie mit definierten Merkmalen (vgl. Zuchtmethoden) aufzubauen.

 

Ad 3. Um den Wahrheitsgehalt der Hypothese 3 abschätzen zu können, lassen sich unterschiedliche Überlegungen und Beobachtungen anstellen:

  • Unterstellt man zunächst um der Diskussion willen, dass die vorgenommenen Bewertungen der Zuchttiere in den Bonitätsmerkmalen Wolle, Bemuskelung und Exterieur zutreffend sind, dann sollte sich bei der Zucht das nachfolgende Szenario ergeben: Für das Merkmal „Wolle“ konnte nur eine geringe additive genetische Korrelation in Bezug zu Bemuskelung und Erscheinung beschrieben werden. Um das Qualitätsmerkmal Wolle in einer Herde signifikant zu verbessern, müsste ein potenzieller Züchter deshalb Tiere / Zuchtböcke auswählen, die im Bonitätsmerkmal Wolle hoch bewertet (8 oder 9) wurden, in der Hoffnung, dass die hochkarätigen Tiere eben genau diese Qualität der Wolle vererben. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Vorhaben gelingt, hängt wesentlich von der Qualität und Bewertung der ausgewählten Tiere ab und wird umso besser gelingen, je reinerbiger die Tiere und ihre Eltern und Voreltern in diesem Merkmal sind. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die gewünschten Merkmale nicht nur bei den ausgewählten Tieren, sondern auch bei deren Eltern und Voreltern zutreffend bestimmt wurden – und damit reinerbig vorliegen. Die Qualität der Wolle eines einzusetzenden Zuchttieres kann der Züchter mühelos selbst bestimmen. Aber was ist mit der Qualität der Wolle der Elterntiere? Da diese meist nicht zur Augenscheineinnahme zur Verfügung stehen, ist der Züchter auf die Angaben in den Papieren der Tiere und deren Zuverlässigkeit angewiesen. Sind diese Angaben solide und korrekt bestimmt, könnte das Merkmal stabil vererbt werden. Ist die Bewertung der Eltern in diesem Merkmal unzutreffend, liegt das Merkmal vermutlich nicht stabil vor und der Züchter wird scheitern. Der zutreffenden Bewertung des gewünschten Qualitätsmerkmales – hier Wolle – kommt damit im Stammbaum der Tiere eine große Bedeutung zu. Leider handelt es sich bei der für die Bewertung der Wolle um ein rein subjektives Bewertungsmerkmal, welches sehr stark durch den Kenntnisstand der bewertenden Person (Zuchtwart, Richter) beeinflusst wird. Die Ergebnisse dieser „Bewertungen“ sind deshalb häufig weder nachvollziehbar noch mit anderen Bewertungen vergleichbar und tatsächlich schlicht falsch.

 

  • Auch eine Gegenprobe lässt sich durchdenken: Hier unterstellt man, dass die tatsächlich vergebenen Benotungen in den Merkmalen Wolle, Bemuskelung und Erscheinungsbild nicht nur korrekt ermittelt, sondern auch tatsächlich vererbt werden. Entsprechend müsste sich die Qualität einer Herde bei gezielter Auswahl der Zuchttiere an Hand dieser Benotungen kinderleicht verbessern lassen. In diesem Fall wäre zu erwarten, dass ein Tier mit z.B. der Wollnote 9 die Qualität dieser Wolle relativ stabil weitervererbt. Bei konsequenter Auswahl der Zuchttiere mit ausgezeichneter Wollnote („9“) müsste damit innerhalb von sehr wenigen Generationen das Bonitätsmerkmal „ausgezeichnete Wolle“ stabil in der gesamten Herde vorliegen und alle weiteren Nachfahren müssten die Wollnote „9“ besitzen. Wenig überraschend passiert genau das nicht und damit stellt sich sofort die Frage, warum eigentlich nicht? Warum verbessert sich die Qualität einer Herde in den gewünschten Merkmalen trotz der Auswahl sehr guter oder sogar ausgezeichneter Merkmale nicht, wie dies zu erwarten wäre? Nach inzwischen jahrzehntelangen Zuchtbemühungen und der Auswahl der immer am besten bewerteten Zuchttiere müssten inzwischen zumindest die Herden der Herdbuchzüchter gespickt sein mit Tieren der Benotungen 9/9/9 - was nicht der Fall ist.

 

Als mögliche Erklärung für dieses Phänomen lassen sich folgende Punkte formulieren:

  • Die Heritabilität der komplexen Merkmale (Wolle, Bemuskelung, Exterieur) ist tatsächlich zu gering für eine stabile Vererbung.
  • Die komplexen Merkmale werden als subjektives Merkmal objektiv falsch bestimmt. Das führt in der Konsequenz leider dazu, dass die Heritabilitätsschätzungen, die auf diesen (falschen) Werten beruhen, leider auch falsch geschätzt werden.
  • Da subjektive Merkmale sich einer objektiven Kontrolle entziehen, ist es tatsächlich sogar möglich, dass sich die Merkmale der Tiere der gesamten Herde verbessert haben, da die Bewertungen jedoch regelmäßig die vermeindlich besten Tiere mit 8 (und nicht 9) bewerten, ist ein züchterischer Fortschritt – obwohl vorhanden - schlicht nicht erkennbar. Auch das führt leider zu einer Fehleinschätzung der Heritabilität.

 

Objektivierung der Bewertungen

Um einen tatsächlichen züchterischen Fortschritt objektiv messen zu können erscheint es aus den dargestellten Überlegungen zwingend notwendig, die Bewertung der Tiere auch an Hand von objektiven Kriterien durchzuführen. Dies ist in vielen Bereichen einfach möglich und wird – aus welchen Gründen auch immer – nicht durchgeführt.

-       Sollen großrahmige Tiere gezüchtet werden, kann man das Stockmaß der Tiere messen.

-       Sollen muskulöse Tiere gezüchtet werden, kann man die Tiere wiegen.

-       Sollen lang gestreckte Tiere gezüchtet werden, kann man die Rückenlänge messen.

-       Sollen hochläufige Tiere gezüchtet werden, kann man die Beinlänge der Tiere messen.

-       Sollen silbergraue Tiere gezüchtet werden, erstellt man eine Farbtafel.

-       Soll die Wolle optimiert werden, erstellt man Wollmuster.

-       …..

Tatsächlich lässt sich annähernd jedes noch so komplexe Merkmal zumindest näherungsweise durch objektiv feststellbare Kriterien erfassen und mit dieser Vorgehensweise die Diskrepanz zwischen hoch präzisen genetischen Analysen (Genotyp, Mikrosatellitenanalysen) und absolut subjektiven Bewertungen (Wolle, Bemuskelung, Exterieur) auflösen und die Akzeptanz von Bewertungen erhöhen. Auch objektive Fehlbewertungen, die man in den letzten Jahren auf Ausstellungen (Müden, verschiedene Landesschauen) immer wieder beobachten musste, könnte man so im Sinne eines echten Zuchtfortschrittes vermeiden. 

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